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Persönlich-Logbuch Löwen 02/21


Paradigmenwechsel

Lehrhafte Monate liegen hinter mir. Mit dem Einzug in´s Haus Löwen betrat ich eine Zone, die mit Komfort nichts mehr zu tun hatte - innerlich. Denn im Außen hat dieses Haus viel Komfort - Pferde nah bei uns auf paradiesischen Flecken Erde, große, gemütliche Wohnräume, klare Luft.

Doch innerlich ging ein Muster, das einen großen Teil meiner erlernten Persönlichkeit ausmachte, in ständige Überforderung. Denn wenn man innerlich glaubt, für alles verantwortlich zu sein - insbesondere das Wohlbefinden Aller - ist man hier aufgeschmissen.

Einsteller, Feriengäste, Kinder, Mann, Haushalt, Pflanzen, Pferde, Katzen, Klienten, Heizsysteme... ständig klingelt es im Außen für Aufmerksamkeit, Präsenz und Fürsorge.

Und mittendrin ich, Ragna, immer zuständig, allzeit bereit, dazu geboren, es schön und leicht für andere zu machen. Oft war ich Abends völlig erschöpft, trotz erfüllender Momente am Tag. Grundlegend empfand ich, dass egal wie viel Energie ich nach Außen warf, vieles nicht geschafft war. Nicht mehr reagieren müssen - das war mein Traum. Wann hört es im Außen endlich auf? Wann wird es ruhiger, weniger, lässt es mich in Ruhe?


Dann hatte ich genug. Mir war klar, dass ich so nicht leben will. Kein grandioses Außen ist es mir wert, innerlich erschöpft zu sein. Entweder leicht, oder nein. So beschloss ich, mich zu verändern. Diesmal war es der Glaubenssatz, für alles verantwortlich zu sein. Glücklicherweise vertraue ich diesem Prozess in mir mittlerweile sehr, denn dieser hier hat für lange Zeit keine Bewegung gezeigt. Monatelang sah ich mir dabei zu, wie ich mich täglich überforderte, es immer enger für mich wurde, die Erschöpfung größer. Doch ich weiß: Absturz ist der Segen. Um neue Grenzen zu schaffen, muss ich die Grenze erreichen - erst dann kann ich sie fassen. Je unangenehmer es wird, desto näher bin ich am Ziel. Jedes Mal glaubt der Verstand, er wüsste, wie die Lösung aussieht, immer scheint es, als wäre der Weg raus aus mir die Lösung. Doch dann, wenn das Aufgeben beginnt, lichtet sich plötzlich ein Raum. Es ist kein raus-aus-Ragna. Es ist ein rein-mit-Ragna. Kein Geben ist gesund, wenn ich mich davon ausschließe. (Ja: durchgekautes Allgemeinwissen, das in jedem Buchhandelsflipkalender zu finden ist - es nicht zu wissen, sondern zu fühlen ist der Unterschied). Mitgefühl. Ein Blick auf das kleine Mädchen, das alles zusammenhalten will. Angst vor Reaktion hat. Tiefe Schuld für den Diskomfort anderer spürt. Denkt, sie würde für ihr Tun geliebt, nicht für ihr Sein.

An der Grenze wartet eine reife Frau, die das Mädchen in die Arme nimmt. Eine Frau, die es schafft, das Mädchen aufzufangen, wenn es in die Panik fällt. Das so müde vom Beeilen ist. Und plötzlich spüre ich mich wieder. Sehe eine komplett andere Realität, in der es Räume für mich gibt, Reichtum und Fülle, statt der inneren Enge.


Jedes Mal wieder bin ich völlig baff darüber, wie sehr mein Außen sich verändert, wenn ich die Perspektive wechsel. Wie neu die Welt ist, in der ich lebe. Wie gut es tut, wenn ich die Verantwortung in mir finde, die ich in´s Außen gegeben habe. Das Ende einer Illusion. Frieden dort fließt, wo vorher keiner war.


Von einigen Menschen höre ich, dass sie solche Paradigmenwechsel nicht kennen, nie einen erlebt haben. Keine Ressource dafür haben, dass ihr Verstand das Leid kreierte, nicht die Welt. Auch an der Stelle frage ich mich, ob es nicht ein genaueres Hinsehen braucht. Ein Suchen, um zu erkennen, dass es sie doch gab und immer wieder gibt. Es gibt wohl die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit eines Wechsels zu verringern: indem ich es mir in meinem Leben gemütlich mache, Konfrontation und Schwieriges vermeide, mich mit Menschen umgebe, die das Gleiche glauben, wie ich. Sich aus solchen Systemen hinauszubewegen erfordert viel Mut und macht Angst, denn unsere kindlichen Überzeugungen halten sich mit todesangstgleicher Qualität an ihrem Erleben fest. Neues tun könnte bedeuten, dass alles katastrophal wird. Das bekannte Leid ist immerhin vorhersehbar. Das System in dem ich lebe zwar auf müffelndem Fundament gebaut, doch immerhin steht es.


Die letzten Tage habe ich viel darüber nachgedacht, wie man Menschen darin unterstützen kann, diese Wechsel zu erleben. Denn mit unserer Arbeit wollen wir genau das. Und doch scheint es, als sei es nicht tatsächlich transportierbar. Der Verstand fällt in ein Verbesserungsdrama, nutzt unsere Tools als Methode, um sich weiter abzulehnen, nicht gut genug zu finden und Menschen von sich fern zu halten.


Und heute früh dachte ich: alles, was ich tun kann, ist mich in meiner Gänze zu leben. Mich nicht mehr zu verstecken. Die Hoffnung aufgeben, dass jemand inspiriert ist, lernt, oder von mir nimmt. Die Energie bei mir zu lassen und die kindliche Arroganz des Wissens für andere abzuschütteln. Weiter über mich zu lernen, in jeder Begegnung. Mich zu füllen mit dir, der Welt und anderen.


In Liebe,


Ragna



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